Ein Dialog zwischen mir und meinem Großvater


Kennt ihr noch meine Großvatergeschichte? 
Ich war das letzte Semester in einem Seminar zum szenischen Schreiben - weil ich den Schein brauchte. In diesem Seminar gab es immer mal wieder kleinere Schreibaufgaben, deren Ergebnisse dann im Plenum kommentiert wurden. Da ich faul bin, nahm ich mir meine vorhandenen Geschichten vor und passte sie den Schreibaufgaben an. 
Naja egal, jedenfalls war eine der Aufgaben, einen Dialog zu schreiben. Da habe ich direkt meine Großvatergeschichte verwurstet und alle Beschreibungen rausgestrichen und ein wenig gestrafft. 
Es gab ein paar Lacher und schließlich entschied man sich diesen Dialog als kleine Zugabe auf einem MeetingPoint anderen Studenten vorzutragen.
Die anderen Teilnehmer in meinem Seminar hatten sich zu Gruppen zusammengefunden, um deren kurze Stücke zu proben. Dank meiner Faulheit war ich diesen Tag zu Hause geblieben und so entschloss man über meinen Kopf hinweg, dass mein Dialog ein wenig gekürzt werden solle und "lesegängiger" gemacht werden müsse. Also hab ich das getan und als Mail herumgeschickt. Am nächsten Morgen lag eine Mail in meinem Postfach, mit einer Version meines Dozenten. Ich fand sie scheiße, biss eine kleine Ecke aus meinem Schreibtisch und legte mich wieder ins Bett - ändern konnte ich eh nichts mehr.
Der Tag des MeetingPoints war angebrochen und alle Teilnehmer hatten sich am Austragungsort versammelt. Es wurde geprobt und gelacht und ganz zum Schluss wurde der Dialog vorgetragen. 
Man entschied sich, ihn nicht in die eigentliche Vorführung aufzunehmen. Er ergäbe nämlich keinen Sinn mehr...
So und jetzt mal Tacheles: Da hat dieser unmögliche Dozent doch tatsächlich meine Geschichte angerührt und komplett versaut. Ich riss ein Stück aus der Armlehne, schleuderte es auf die Bühne, zückte dann mein Feuerzeug und fackelte die ganze bekloppte Bande ab. Dann erwachte ich aus meiner Lethargie und tat so, als würde mich der Entschluss nicht stören und die Tatsache, dass ein gewisser Herr meine Geschichte aber mal so richtig verkackt hatte, schluckte ich hinunter ohne in angemessener Weise handgreiflich zu werden. 
So, jetzt wisst ihr Bescheid. Ich habe für euch natürlich eine Version aufgehoben, die ich selbst für einigermaßen akzeptabel halte. Sie ist vermutlich kein Meisterwerk, aber wenigstens sind die wenigen mühsamen Lacher noch drin und nicht von irgendeinem Trottel herausgekürzt worden - und die Sache ergibt zumindest ein klein wenig Sinn. Wenn auch nicht viel, aber man fragt sich am Ende nicht, welcher Einfaltspinsel denn bitteschön jetzt auch noch den kompletten Sinn entfernt hatte.

Viel Spass und schreibt mir was ihr davon haltet.

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 Ein Dialog zwischen mir und meinem Großvater


Opa: 
Es ist manchmal nicht einfach, gesellig zu sein, nicht wahr?
Enkel:
Ich fühle mich wohler, jetzt wo alle weg sind.
Opa:
Hier, trink noch was, das Zeug staubt sonst nur voll. Aber erzähl deiner Mutter nicht, dass 
du bei Opa Schnaps bekommst.
Enkel:
Sie würde es verbieten.
[kurze Pause]
Wie kommt es, dass du immer genau weist, was du sagen musst? Die Leute lachen immer, wenn du sprichst. Du kannst dich immer sofort unterhalten.
Opa:
Es gibt einen Trick.
Enkel:
So, welchen?
Opa:
Ich weiß nicht, er ist ziemlich wirksam. Vielleicht bist du noch zu jung.
Enkel:
Na gut, dann nicht. Lass mich nur eben noch den Schnaps weghaun.
Opa:
Hm, du hast ja Recht. Aber ich muss dich warnen, der Trick ist unwahrscheinlich wirksam, er darf nur mit Vorsicht gebraucht werden. Sobald jemand merkt, dass du ihn anwendest, bist du bei ihm unten durch. Er wird dich meiden als wärst‘ du der Schmutz unter dem Fingernagel eines Klempners.
Enkel:
Ach herrje.
Opa:
Ja, allerdings. Der Trick ist wirklich nicht ohne. Ich benutze den Trick selbst nur äußerst selten und nur im absoluten Notfall. Aber der Trick hat schon so manchen Abend gerettet, dieser Trick ist tatsächlich noch wirkungsvoller als Penicillin...
[blickt an die Decke]
Meine Güte kannst du jetzt endlich mal zur Sache kommen? Ich klinge ja wie ein Vollidiot.
[blickt Enkel an]
Enkel:
Wie bitte?
Opa:
Ach, nichts.
Enkel:
Meinst du mich?
Opa:
Nein.
Enkel:
Wen dann, hier ist doch niemand.
Opa:
Doch, der verdammte Schreiberling. Der ist überall. 
[blickt an die Decke]
Jetzt komm endlich zur Sache. Erzähl die verdammte Geschichte und hör auf, blöde rumzuschwafeln.
[blickt Enkel an]
Stimme:
Ich werde tun, was ich für richtig halte.
Enkel:
[springt auf, blickt hektisch umher] 
Gott!
Opa:
Gott? Pah. Das ist nur der Trottel, der versucht diesen Dialog hinzukriegen. Wir sind wohl einem verdammten Stümper in die Hände gefallen.
Enkel:
[blickt sich um] 
Bitte, reiz ihn nicht, er könnte uns löschen.
Opa:
Ach was. Erzähl die Geschichte und dann lass uns in Ruhe. Mach deine Arbeit, du kleiner Scheißer. 
[zum Publikum]
Dieser Typ macht mich noch wahnsinnig. Warum lässt er mich so ein dämliches Zeug daherreden? Und was sollen diese bescheuerten Metaphern? „als wärst‘ du der Schmutz unter dem Fingernagel eines Klempners“, was soll denn das für ein Vergleich sein? „wirkungsvoller als Penicillin“, Blödsinn.
[geht auf und ab]
Ich wette er hat einfach den Faden verloren. Stümper!
[seine Hand schlägt ihm selbst unbeholfen ins Gesicht]
Enkel:
[zum Schriftsteller] 
Jetzt gehst du zu weit, lass meinen Opa in Frieden!
Opa:
So weit ist es also schon gekommen. [kurze Pause] Wollte vermutlich so eine Art Konversationsratgeber fabrizieren. Leider fällt ihm aber der tolle Trick nicht ein. Und jetzt passiert diese Scheiße. Leg den Stift weg du Pfeife! Gib auf.
[wedelt mit der Faust nach oben]
Stimme:
Möchtest du, dass sich deine Blase entleert?
Opa:
[springt auf, zornig zur Decke]
Hör auf mir zu drohen. Ohne mich kommst du nicht weiter. Ich rate dir, Freundchen, sei nett zu mir.
Stimme:
Du solltest deine Bedeutung nicht überschätzen, alter Mann. Ich brauche niemanden. Es kostet mich ein paar Striche und schon bist du verschwunden. Aber das muss nicht sein. Setz dich wieder und wir vergessen das Ganze.
Opa:
Geh du erstmal in einen Schreibkurs, dann reden wir weiter.
Enkel:
Ja genau, szenisches Schreiben. 
[lacht]
Opa:
Ich kann es einfach nicht mehr ertragen. Ständig denken sich selbsternannte Schriftsteller totalen Bockmist aus. Und wer hat darunter zu leiden? WIR! Unsereins muss in haarsträubenden Situationen diesen Blödsinn aufsagen und wenn du dich mal dagegen wehrst, wirst du kaltgestellt, erschossen oder sonstwas, mindestens sprachunfähig.
[blickt an die Decke]
Und weißt du wie sie das nennen? Deus Ex Machina. Gott aus der Tube. Irgendwann kommt der feine Herr Schriftsteller nämlich nicht mehr weiter mit seiner Drecksgeschichte und dann zaubert er ein Kaninchen aus seinem scheiß Hut und fuchtelt damit rum bis keiner mehr weiß was eigentlich los ist. Das er nämlich keinen blassen Schimmer davon hat, wie es weitergehen soll.
Stimme:
Ich weiß wie es weitergehen soll.
Opa:
Ach ja? Dann schieß mal los. Bin gespannt, wie du den Karren aus dem Dreck ziehen willst. Die Geschichte ist jedenfalls hinüber.
Stimme:
Dank dir.
Opa: 
Ohh! Mama, die Figur in meiner Geschichte war böse zu mir...
Stimme:
Bist du fertig?
Opa:
Noch lange nicht. Ich werde gerade erst wa...
[kann den Mund nicht mehr öffnen, fällt in seinen Sessel, bleibt steif sitzen]
Stimme:
Habe ich nun deine Aufmerksamkeit?
Enkel:
[fuchtelt mit irgendwas Spitzem zur Decke]
Jetzt mach ich dich fertig.
Stimme:
Ruhe. 
[wütend]
[Enkel verstummt]
Opa:
Hmhpff
Stimme:
Du bist meine Erfindung. In gewisser Weise liebe ich dich, aber so geht es nicht weiter. Wir müssen uns über einige Dinge klar werden. Ich löse nun deinen Kopf und du gibst mir Zeichen, einverstanden?
Opa:
[nickt]
Stimme:
Schön. Wir wollen doch beide, dass hier eine gute Geschichte entsteht, nicht wahr?
Opa:
[nickt]
Stimme:
Glaubst du, das ist möglich wenn wir uns streiten?
Opa:
[Kopfschütteln]
Stimme:
Wie können wir also das Problem lösen?
Opa:
Hmhpff
Enkel:
Der Mund, du Genie. 
Stimme:
Oh, entschuldige.
Opa:
Ich denke, ich sollte mich etwas zurückhalten. Du schreibst, ich führe es aus. Vielleicht sollten wir noch einmal von vorn beginnen.
Stimme:
Das klingt doch gut.
Opa:
Wo waren wir noch einmal ... Der Trick ... der unglaubliche Trick ... der höchst famose Trick ... ein Trick, sie zu knechten ... ein Trick, der alles ...
[blickt zur Decke]
Was soll denn das nun wieder?
Enkel:
Der kann es nicht besser.
Stimme:
Wollten wir nicht...
Opa:
ja natürlich wollten wir. Und zwar eine gute Geschichte schreiben. Aber du fängst ja schon wieder mit diesem blödsinnigen Trick an.
Enkel:
Vergiss es, der hat einfach nichts drauf.
Stimme:
Jetzt hört mir mal gut zu: Ich bin Schriftsteller und nicht gute Fee. Hier werden keine Wünsche erfüllt, hier wird gemacht was ich schreibe, sonst kann ich noch ganz andere Saiten aufziehen.
Opa:
Diesen Blödsinn liest doch sowieso niemand.
Stimme:
Ok, wisst ihr was? Das hat keinen Sinn. Wir beenden die Angelegenheit. Ihr zwei werdet jetzt  ganz nach unten in dem Stapel für die missratenen Geschichten verschwinden. Und dort bleibt ihr, bis jemand meinen Nachlas auflöst. Ab jetzt seid ihr Geschichte.
Fin.




1 Kommentar:

  1. Hehe, das kommt auch als Dialog sehr gut. Aber nimm diesen flachen Witz mit dem szenischen Schreiben wieder raus! -- He, was soll das?!?! -- Na gut, mach was du willst, aber lass bitte meine Möbel heile!!

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