Die Begegnung, die keine war


Die trockene Kälte des Winterabends schlägt ihm ins Gesicht. Der Regionalexpress ist - wie jeden Freitag zur Feierabendzeit - rappelvoll gewesen. Tief durchatmen, die Menge der Berufspendler schiebt sich langsam in Richtung der Unterführung, Feuerzeuge flammen auf und erleuchten für einen kurzen Moment die Gesichter, gezeichnet von den Strapazen der Woche.

Wochenende! - Den Hebel, der von Alltags- zu Feierabendlaune umschaltet, hat hier noch keiner umgelegt. Neben ihm zündet sich ein Mädchen eine Zigarette an. Sie hat schwarzes Haar und der Mantel - beige - bedeckt sie bis kurz oberhalb der Knie. Kaum schaut der Rock, den sie darunter trägt, unter dem Mantel hervor. Seine Aufmerksamkeit folgt den in dicken schwarzen Nylonstrümpfen verpackten Beinen, bis sie von den braunen Wildlederstiefeln gefangen genommen wird, die gleichzeitig den Endpunkt der kurzen Reise markieren.

Unwillkürlich werden seine Schritte ein wenig langsamer. Der Strom der Pendler zwängt sich, quetscht sich, zerrt sich durch die enge Unterführung. Eile? Nein, heute nicht bei ihm. Ein wenig Abstand, lass sie doch drängeln...

Die Treppe hinauf, sie ist dicht hinter ihm, dann rechts herum. Ein kurzer Blick über die Schulter, sie geht geradeaus. Jetzt zündet er sich auch eine Zigarette an, geht zwischen den Fahrradständern hindurch über den Bahnhofsvorplatz. Auf der Straße geht sie, wechselt die Seite, wechselt auf seine Seite. Ihre Waden glänzen im Schein der Straßenlaternen.

Handyklingeln in seiner Tasche. Unisachen, bah. Blöde Bürokratie! Mit halbem Ohr am Handy  wendet er den Blick nicht ab von der Person, die vor ihm geht. Schlanke Beine. Schon bald ist er, dessen Gang um ein weniges rascher ist, fast gleichauf. Zwei Wildlederstiefel dicht vor ihm, sie muss jedes Wort verstehen. Worte, die für das andere Ende der digitalen Sprechverbindung gedacht sind - nicht für sie.

Er beschleunigt seine Schritte, will überholen. Hier auf dem Land ist es komisch, ein paar Schritte hinter jemandem zu gehen, wenn die Bürgersteige sonst leer sind. Was sie wohl denkt?

Da ist die Querstraße. Über den Zebrastreifen und durch den historischen Friedhof, die Kommilitonin immer noch am Ohr, Kippe - lässig (haha) - in der rechten Hand. Und sie direkt hinter ihm, geht schneller, hat ihn fast wieder eingeholt. ?! Durch das Friedhofstor auf der anderen Seite. Reste vom morgendlichen Schneegestöber knacken unter den Sohlen, beweisen, dass es wieder kälter geworden ist. Wegen den Waschbetonplatten auf dem Weg der jetzt kommt, könnte er ganz hervorragend den Abstand zwischen ihnen einschätzen - wenn er den Mut hätte, sich umzublicken; was er mit einem Mal nicht mehr braucht, denn da geht sie schon neben ihm, das sieht er aus den Augenwinkeln. Warum???

Irgendwie rennt das Herz jetzt. Nicht gefühlstechnisch emotional, doch physiologisch gesehen. Und das kann er spüren. Was für eine seltsame Situation ist dies bitte? Menschenleere Wege in einer winzigen, trostlosen Kleinstadt und eine völlig fremde Frau geht direkt neben ihm. Keiner von beiden schaut zur Seite, beide blicken starr geradeaus. Moment mal,  denkt er: Habe ich jetzt meine Geschwindigkeit verlangsamt oder geht sie schneller?

Was sie wohl denkt, denkt er, als er an der Ampel steht. Sie auf zwei Metern Entfernung daneben. Normalerweise geht er hier bei rot hinüber, da kommt eh nix. Heute jedoch nicht. Die Ampel springt nicht auf grün. Er hat nicht den Knopf gedrückt - sie hat nicht den Knopf gedrückt. Als er das bemerkt ist ihm das peinlich, die Hand schnellt nach vorn, hastig landet sie auf der Berührungsfläche für das Ampelsignal. Ein scheuer Blick in ihre Richtung. Gerade noch kann er erkennen, wie sich ihr Blick auffällig rasch von ihm abwendet. Oh du herrliches Adrenalin!

Wie schön ihr Gesicht ist. Und ihre Pupillen in den Augenwinkeln...kann er sehen, denn sie schaut in seine Richtung. Da zeigt die Ampel grün. Über die Straße und dann biegt sie links ab, denkt er. Alle biegen hier links ab. Aber sie, sie geht geradeaus. Ganz am äußersten Rand des ohnehin schmalen Gehsteigs balanciert er jetzt, damit für sie auch noch Platz ist und sie überholen kann. Ich will ja nicht in den Verdacht geraten, sie belästigen zu wollen, denkt er. Der Bürgersteig wird schmaler und da ist sie jetzt, zum Greifen nah. Das ist mir doch zu komisch, schießt es durch seinen Kopf und er beschleunigt seine Schritte. Was soll denn das werden?

Trotzdem versucht er, seinen Gang so männlich wie nur möglich aussehen zu lassen, jetzt wo er ein wenig Vorsprung hat. Unbeholfen wirkt das Ergebnis wahrscheinlich, aber was solls, krumme Beine sind nun einmal krumme Beine. 

Als er die Kreuzung erreicht und einen Blick nach hinten riskiert, ist der Gehweg hinter ihm frei. Keine Seele geht dort. Niemals wieder hat er dieses Mädchen gesehen. Einerseits empfindet er eine leichte Enttäuschung, andererseits eine etwas größere Erleichterung. Es hilft doch nichts: Erlebnisse dieser Art sind nicht geeignet, die eigene Beziehung zu festigen. Und wenn man diesen Dingen nicht aus dem Weg gehen kann, dann ist es die Freundlichkeit des Schicksals, wenn sie es selbst tun.

Oder etwa doch nicht?

Es ist SEINE Welt



Sie sind wieder da. Kolben, die sich heben und senken, ölig und düster, absolut synchron. Maschine an Maschine an Maschine, kilometerlang und länger.

Kein Lichtstrahl scheint sich hierhin verirrt zu haben und doch ist alles sichtbar. Alles liegt matt vor mir, in dunklen, erdigen Farben. Kein Glänzen, kein Funkeln, blankes Metall, aber ölverschmiert. Ein in seiner Herkunft unbestimmbares, unendlich tiefes Dröhnen erfüllt die stickige Luft, ich spüre diese dumpfen Töne als Vibration in meinem Bauch und ich habe Angst.

Das Dröhnen wird schwächer, wenn die Kolben sich heben, stärker wenn sie sich senken, hinabstoßen mit unglaublicher Gewalt und in perfektem Zusammenspiel, Maschine um Maschine, Reihe um Reihe, endlos so weit das Auge reicht. Meine Position in diesem Bild ist unbestimmt, und doch - ich bin dabei, bin mittendrin, beobachte das Heben und Senken und ich habe Angst.

Mir ist nicht klar, ob die Maschinen zu mir oder ob ich zu ihnen gekommen bin, ich weiß nur sie sind da und ich bin hier, ich spüre die Vibration in meinem Bauch und ich weiß auch mit ebenso großer Sicherheit wie die letzen Male: Ich bin nicht alleine hier.

Es gibt nichts, was rein äußerlich an IHM zu beschreiben, nein, beschreibbar wäre. Keine Kleidung, keine Frisur, keinen Körper, kein Gesicht und doch ist ER nicht körperlos sondern sichtbare Person. ER steht einfach nur da, dort hinten zwischen den Maschinen, ER sieht mich nicht an, doch dass ER weiß, dass ich da bin, spüre ich genau und ich habe Angst.

Die Macht, die von IHM ausgeht, durchflutet die Maschinen, durchflutet mich. ER hat alles in SEINER Hand, bildlich gesprochen, ER ist die Energiequelle, ER ist der Antrieb, ER herrscht über die Maschinen. Ich weiß das, obwohl ich nicht einmal sagen kann woher ER kommt oder ob ER schon immer hier war. Ich weiß es einfach und ich habe Angst.

Die Maschinen arbeiten unermüdlich, keine Abnutzung, keine Fehlfunktionen, Reparaturen nicht erforderlich. Sie besitzen keine Bedienelemente, keine Schalter und Hebel, keine bunten Knöpfe oder blinkende LED´s. Kein Funken und kein Rauch entweicht ihnen, sie sind perfekt, strotzend vor Kraft und SEINE Macht steuert sie. Sie bilden einen Organismus und vermehren sich, sie breiten sich aus und verlangen nach Raum.

Was mir am meisten Angst macht ist, dass ich weiß, dass meine Angst nicht unbegründet ist. Ich weiß, dass ER dunklen Absichten folgt, Böses im Schilde führt, dass Altes beendet wird und Neues beginnt. Nichts wird wieder sein wie zuvor, niemals und für alle Zeiten. Dieses Wissen ist unanzweifelbar, ich weiß es einfach weil ich hier bin, hier in diesem Moment wird es mir bewusst. Es ist ebenso gewiss wie die Vibrationen, die meinen Magen erschüttern und die Angst die ich verspüre.

Ich kann jetzt mit ihnen fühlen, ich spüre ihren Hass und SEINE Macht, diese entsetzliche, gewaltige Macht, die ihnen befiehlt. Die Kolben heben sich, tausende und abertausende zugleich, keiner weicht auch nur einen Millimeter ab. Sie verweilen für Sekundenbruchteile an ihrem höchsten Punkt um dann wieder hinabzugleiten in ölige Zylinder, tief in die Herzen der Maschinen. Ich spüre die Kraft mit der sie zustoßen. Ein wahnsinniger, stechender Schmerz fährt durch meine Rückenwirbel, ich schreie auf und krümme mich unweigerlich zusammen während der Schmerz durch meine Gliedmaßen jagt, jeden einzelnen Muskel sich verkrampfen lässt.

Die Kolben heben sich wieder und ER steht immer noch dort, ER sieht mich nicht an aber ER weiß um meinen Schmerz.

Die Kolben erreichen ihren höchsten Punkt und ich vergehe vor Angst. Ich muss hier weg, ich will hier weg aber ich weiß, dass ich nicht fort kann, nicht aus eigener Kraft. Und würde ich Hunderte von Kilometern in diesem Maschinenorganismus zurücklegen: Ich wäre da, ER wäre da, die Maschinen und der Schmerz, meine unerträgliche Angst.

Die Gewissheit, dass die Kolben gleich wieder zustoßen, lässt mich zusammenkauern noch bevor der entsetzliche Schmerz meinen Körper durchzuckt. Ich schreie und winde mich und weiß in diesem Augenblick ganz genau, dass ER mir nicht helfen wird.

Die Kolben heben sich.
Die Kolben verweilen.
Die Kolben senken sich.

Licht. Helles, gleißendes Licht. Ich schließe die Augen, spüre den Schmerz noch einmal, schreie und halte inne --. Stimmen, ich höre Stimmen... 

Was mir am meisten Angst macht ist, dass ich weiß, dass meine Angst nicht unbegründet ist.

Wer Kettenbriefe weiterleitet, bewahrt sein Gehirn im Kleiderschrank auf



Eine Information des US-Ministeriums für innere Sicherheit (Department of Homeland Security – DHS)

Achtung. Bitte sorgfältig lesen!

Diese Nachricht wurde bereits 1941 von der haitianischen Voodoopriesterin Waasnuhn Sihn versendet, die im Exil in Russland im Feldlazarett bei Smolensk ihren Dienst tat. Ein deutscher Oberst der Reichsdecodierungsabteilung, einer speziellen Spezialeinheit der Spezialpolizei GESTAPO, fing diese Botschaft ab, entschlüsselte ihren Inhalt und verschickte sie an seine Vorgesetzten. Da die Priesterin die Botschaft mit einem Fluch belegt hatte, verlor Deutschland schon vier Jahre später den Zweiten Weltkrieg.

Deshalb: Diese Nachricht bitte auf KEINEN FALL an deine Freunde weiterleiten!!

Viele Menschen hörten nicht darauf, sondern schickten die Nachricht weiter. John F. Kennedy bekam die Nachricht vom Secret Service zugestellt. Nur wenige Tage später, am 22. November 1963, wurde er in Dallas, Texas erschossen. Sein Mörder, Lee Harvey Oswald, bekam diese Nachricht auch und sandte sie weiter. Nur 1,5 Stunden nach dem Attentat auf Kennedy wurde er in einem Kino verhaftet und bereits zwei Tage später im Polizeigewahrsam von Jack Ruby erschossen.

Diese Nachricht wurde 1976 von einem Schüler in Villingen-Schwenningen aus dem Englischen zurück ins Deutsche übersetzt, da die deutsche Fassung von 1941 nach dem Krieg im Zuge der Entnazifizierung von der amerikanischen Besatzungsmacht vernichtet worden war.

Der deutsche Politiker Jürgen W. Möllemann bekam diese Nachricht am 2. Juni 2003 und ignorierte den Hinweis. Nur drei Tage später, am 5. Juni 2003, verunglückte er bei einem Fallschirmsprung in Marl-Loemühle.

Die amerikanische Sängerin Britney Spears erhielt diese Nachricht im Jahr 2007. Der Fluch bewirkte, dass ihr sämtliche Haare ausfielen. Sie traut sich auch heute nur noch sehr selten in die Öffentlichkeit.

Wenn dir dies alles nicht passieren soll, hast du drei Möglichkeiten, mit dieser Nachricht zu verfahren:

  1. Drucke diese Nachricht aus und lösche sie danach sorgfältig aus deinem Postfach. Lege den Ausdruck in einen Panzerschrank und versenke ihn auf dem Grund des Indischen Ozeans. Achtung!!! Lass den Panzerschrank auf KEINEN Fall in deiner Wohnung. Der Fluch wird seine Wirkung zeigen und sich negativ auf dein Leben auswirken!
  2. Drucke diese Nachricht 2.000 mal aus und lösche sie danach sorgfältig aus deinem Postfach. Entzünde nun auf dem Marktplatz deiner Stadt (falls du auf dem Land wohnst geht auch die Hauptstrasse) ein hübsches Lagerfeuer mit den Ausdrucken und verbrenne sie unter Beimengung von Knoblauch und Kartoffelchips, damit der Fluch gebannt wird.
  3. Schicke diese Nachricht nur an alle Leute, die du nicht leiden kannst, an Menschen, die dir oder deiner Familie ein Leid zugefügt haben, an Menschen, die Grausamkeiten begangen haben und deshalb lieber nicht auf diesem Planeten wandeln sollten. Dann wird sich der Fluch für dich zum Positiven wandeln und es wird dir ergehen wie Steven Paul Jobs, dem Begründer von Apple. Als er diese Nachricht bekam, befand sich sein Unternehmen in einer schweren Krise. Er leitete die Nachricht an Bill Gates weiter und hatte kurze Zeit später die revolutionäre Idee des IPhones.

Achtung! Dies ist kein Scherz! Bitte sende diese Nachricht nicht an deine Freunde weiter! Nicht an einen, nicht an 24, nicht an 2400!! Es wird niemand deshalb auf die Idee kommen, HIV-verseuchte Spritzen in Kinosesseln zu verstecken und studivz wird auch weiterhin kostenfrei bleiben! Knochenmarkspenden sucht man ebenfalls nicht mit Ketten-Emails. Befolge diesen Rat und du wirst dein Leben lang gesund bleiben und guten Sex haben! Und deine Freunde werden dich lieben, weil du sie von Kettenbriefen verschonst.

Im Auftrag:

Khabul Hatschi Aua
DHS-Department Germany

Wo die Ebene endlos und Bewegung stillzustehen scheint

 
In Bolivien liegt der größte Salzsee der Welt, der Salar de Uyuni - im Sommer wird er zur befahrbaren Salzwüste

Das Salz knirscht unter meinen Füßen und unter den Reifen meines Mountainbikes. Gerade verschwindet die Sonne am Horizont und taucht alles rundherum in ein fremdartiges Licht. Das bereits den ganzen Tag andauernde Gefühl, allein in einer riesigen Eiswüste unterwegs zu sein, gewinnt an Deutlichkeit, je weiter sich der rote Feuerball hinter der Kante in unbekannter Entfernung versteckt. Und kalt wird es plötzlich. Bitterkalt!

Dabei ist im November eigentlich Sommer - hier auf der Südhalbkugel. Ich schiebe mein Rad über den Salar de Uyuni im Südwesten Boliviens, über den größten Salzsee unseres Planeten. Auf rund 3650 Metern Höhe gelegen, darf es hier schon mal gehörig kalt werden in der Nacht.


Dagegen brennt schon heute morgen, als wir uns am Plaza de Armas von Uyuni treffen, die Sonne auf der Haut. Uyuni, diese etwas über zehntausend Einwohner zählende Minimetropole, lebt zu einem Großteil vom Salzsee-Tourismus - auch wenn sie mit ihren schlechten Straßen und den winzigen, baufälligen Häuschen der Einheimischen nicht besonders touristisch aussieht.

Daniel - mein Reisepartner aus Dresden - und ich müssen heute Morgen zur "Migración", um uns Ausreisestempel in unsere Pässe drücken zu lassen. Erst dann können wir die Überquerung des Salar de Uyuni und danach den einsamen Weg durch die Wüste und über die Grenze nach Chile angehen.

Ashley haben wir am Vorabend kennengelernt. Der Australier ist wie wir mit dem Rad in Südamerika unterwegs und hat heute das gleiche Ziel: über den Salar bis zur Insel Incahuasi zu radeln, die mit riesigen uralten Kakteen bestanden und umgeben von der schier endlosen Salzfläche ist.


Die staubige Piste Richtung Norden führt uns etwa 20 Kilometer bis Colchani, wo die Hauptroute über den See abzweigt. Unterwegs haben wir mit unseren voll bepackten Drahteseln gegen tiefen Sand zu kämpfen, der bremst und die Räder seitlich driften lässt.

Dann sind wir auf dem Salz. Statt Staub und Sand nun weiße Fahrbahn, die wie eine Eisfläche aussieht. Rutschgefahr? Irrtum, denn ein Bremstest beweist: Unsere Reifen haben Grip wie auf Schmirgelpapier. Hier und dort in Ufernähe sind Hügel von Salz angehäuft, das Arbeiter mit Schaufeln auf uralte Ford-Trucks verladen.


Wir kommen jetzt gut voran, denn die Jeepspuren, denen wir folgen, lassen sich super befahren, besser sogar als die wenigen bolivianischen Asphaltstraßen. Kurze Zeit später stehen wir vorm "Salzhotel", einem Gebäude komplett aus Salzblöcken erbaut. Viele Jeeps parken davor und für die Touris sind auf einmal wir, die verrückten Biker, die Attraktion.

Nach dem Hotel nichts als endlose Weite. Kein Anhaltspunkt fürs Auge, außer einem einsamen Vulkan, von dem wir wissen, dass er über hundert Kilometer entfernt sein muss. Ja, so weit reicht hier die Sicht, doch die Einförmigkeit der Landschaft sorgt dafür, dass Entfernungen schwierig einzuschätzen sind. Unser Tagesziel Incahuasi können wir seit Stunden sehen, doch scheint es, als kommen wir nicht näher heran.


Dann frischt der Gegenwind auf und entwickelt sich rasch zu einem Sturm, wir kommen kaum mehr vorwärts. Der Wind zehrt an unseren Kräften und allmählich käme ein Anhaltspunkt fürs Auge gelegen, der beweist, dass wir uns tatsächlich fortbewegen. Nach einiger Zeit gebe ich es auf, gegen den Wind anzustrampeln. Ob sechs Stundenkilometer im Sattel oder fünf zu Fuß - das macht keinen großen Unterschied. Die anderen quälen sich weiter, ich schiebe gemütlich und bald mutterseelenallein mein Rad durch den Sonnenuntergang, der die Konturen auf der Salzkruste verwischen lässt. Meine Augen tränen vom kalten Wind, die Nase läuft und alles was ich sehe, ist ein milchiges Weiß, durchschnitten von Jeepspuren. Das große Gefühl grenzenloser Freiheit steigt in mir auf - und findet seine symbolische Entsprechung im Salar, der mir unendlich scheinende Wege in alle Richtungen offeriert. Bald ist die Sonne ganz weg. "Hoffentlich laufe ich im Dunkeln nicht an der Insel vorbei!", geht es mir durch den Kopf. Doch der überwältigende Sternenhimmel sorgt für ausreichend Licht, um die Fahrspuren erahnen zu lassen.

Da erscheinen zwei Lichter in der Ferne, ein Auto kommt mir entgegen. Zu meiner Verwunderung hält es neben mir und Daniel steigt aus. Auf der Insel angekommen, hat er sich Sorgen gemacht und darum kurzerhand den Pick-Up mitsamt Fahrer organisiert. Wie ich erfahre, sitzt Ashley ein Stück weiter frierend auf der Salzkruste, weil seine Knie schmerzen.


Auf der Insel Incahuasi bekommen wir in "Mongo´s Restaurant" noch Spaghetti serviert, dann steigen wir todmüde in die Schlafsäcke, glücklich, die immerhin rund hundert Kilometer geschafft zu haben. Morgen wird sich Ashley verabschieden und mit dem Bus zurück nach Uyuni fahren. Daniel und ich radeln weiter gen Süden, bis wir in ein paar Tagen die Grenze zu Chile überqueren werden...

(veröffentlicht in DEWEZET, 28.02.2009)
 

Das Spiel (Teil 1)



Es war Sommer und Inge Beltermann machte die Wäsche.
Sie wusste, ihr Sohn würde noch mindestens drei Stunden drüben auf der Schmiedewiese spielen, also hatte das Abendessen fürs erste keine Eile. Die sanfte Steigung von der alten Schmiede hinauf zu dem kleinen Wäldchen war der ideale Ort für kleine Jungs, die sich dringend mal austoben mussten. Dort konnten sie nach Herzenslust ihre Jungenspiele spielen, was auch immer das war. Oftmals war ihr Sohn zusammen mit den Zwillingen der Schmidts und dem zierlichen Burschen von gegenüber zurückgekehrt und alle hatten stolz ihre Kratzer und kleineren Schürfwunden zur Schau gestellt. Nichts Ernstes, aber doch ziemlich ärgerlich wenn die Klamotten blutig oder zerrissen waren. Blut bekommt man nämlich nicht mehr richtig heraus. Aber es waren nun einmal Jungs und die machten eben manchmal ziemlich wilde Sachen. Inge Beltermann lächelte liebevoll, nahm eine weitere Klammer aus dem Mund und befestigte die letzte Socke.


Er war gerade dabei, den Feldstecher genau auf die richtige Entfernung einzustellen, um die Kinder besser im Blick zu haben, als ein leichter Windstoß die losen Papiere auf seinem Tisch herumwirbelte. Schnaubend winkte er einen etwa 13 jährigen Jungen zu sich und gestikulierte vage in Richtung der Blätter. Ohne einen weiteren Gedanken an seine Unterlagen zu verschwenden, wandte er sich erneut der sanft ansteigenden Wiese zu und fixierte eines der Kinder. Seine Mundwinkel verzogen sich zu etwas, das wohl ein Lächeln sein sollte.


Sie hatten sich mit trockenen Ästen und kleinen Steinen bewaffnet und brachten sich nun in Stellung. Sie konnten schon sehen, wie sich die Großen unten am Fuß des kleinen Hügels sammelten. Niemand wusste warum es so war oder wie es angefangen hatte, aber eines war klar: Der Hügel musste erobert werden. Also scharten sich zwei Gruppen von Kindern - es waren immer nur Jungen - am Fuße des Hügels und auf dessen höchstem Punkt zusammen. Oben wurde verteidigt, unten wurde gestürmt. Und wenn die Eroberung gelungen war, ging es wieder von vorne los. Dann mit vertauschten Rollen. Jeder hätte einfach sonntags, wenn niemand sonst dort war, auf den Hügel spazieren und ihn für erobert erklären können. Aber so funktionierte die Sache nicht. So war es einfach nicht richtig. Der Hügel musste erobert werden. Ihr versteht das doch, nicht wahr?


Ein kleiner blonder Kopf erhob sich aus dem Gebüsch und spähte die Wiese hinab. Es würde knapp werden. Ein harter Kampf, aber er war zuversichtlich. Oben war die bessere Position, davon war er überzeugt. Oft genug hatte er zusammen mit den anderen erfolglos versucht, den Hügel hinauf zu stürmen und oft genug waren sie bereits auf halber Strecke gescheitert. Wer oben war siegte meistens. Zwar waren die Jungs unten älter - einer rauchte sogar schon wenn er sich recht erinnerte. Aber sobald sie ihre Deckung verließen, mussten sie die Wiese überqueren. Und dann ...
Er wandte sich nach rechts und betrachtete seine Freunde. Auch sie hatten sich flach auf den Boden gepresst und warteten nun auf den richtigen Zeitpunkt, um anzugreifen. Sie hielten in jeder Hand einen Stein und lächelten siegessicher.


Der kleine Baum war keine besonders gute Stellung, aber er war das einzige was er hatte. Seine Jungs warteten auf Knien oder liegend im Gras verborgen auf sein Signal - die Waffen griffbereit. Er nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette und klemmte sie zwischen Zeige- und Mittelfinger der linken Hand. Sie war selbst gedreht und erweckte den Eindruck, als wäre hier noch viel Übung nötig. Als würde er erst seit kurzem Zigaretten drehen. Zum Beispiel seit Vorgestern.
Er blickte den leichten Hang hinauf. Irgendwo dort oben lagen sie verborgen. Noch konnte er nicht sagen wo genau sie lauerten - aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sich irgendjemand bewegte und ihm verraten würde, wo sie sich befanden. So war es immer. Sie dachten vielleicht, die Position auf dem Hügel würde ihnen einen Vorteil bieten, aber das stimmte nicht. Den Vorteil hatte immer derjenige, der zuerst wusste wo der Feind war. Derjenige, der den ersten Schuss abgab. Er nahm einen weiteren Zug aus der Zigarette und blickte konzentriert in Richtung einer kleinen Reihe dichter Büsche. Hatte sich dort gerade etwas bewegt?
...


J.C.