Es wird Zeit


Kennen Sie diese Stimme? Diese Stimme, die Ihnen sagt, dass irgendetwas nicht stimmt. Irgendetwas, das hier grundsätzlich schief läuft? Nein? Seien sie ehrlich! Hören Sie tief in sich hinein, tiefer als üblich. Hören Sie sie jetzt? Diese Stimme, die Ihnen ständig vorhält was besser sein könnte? Ihnen immer wieder Tipps gibt und hinterher immer alles besser weis? Wir alle hören sie. Manche von uns leise, so leise dass sie sie fast ignorieren können. Andere aber hören diese Stimme laut. Schreiend, sarkastisch, alles besser wissend, kreischt sie in den Köpfen von Ihrem Thron, als wäre im Grunde sie der Boss. Vielleicht ist sie das ja auch. Vielleicht ist sie der eigentliche Antrieb, der uns dazu bringt Dinge zu tun, die sich manchmal als übereilt, meistens aber als genau das Richtige herausstellen. Diese Stimme will nichts Böses. Sie möchte Sie nicht fertigmachen. Im Grunde möchte Sie nichts anderes als erlöst zu sein von ihrer unsäglichen Aufgabe. Aber es gibt etwas was sie antreibt, etwas das sie auffordert immer lauter, immer aufdringlicher zu sein. 
Das sind Sie selbst. Das ist Ihr Herz. Sie selbst sorgen dafür, dass sie schreit. Dass sie sich auflehnt. Auflehnt gegen die Dinge die Sie tun. Arbeiten die Sie verrichten, Gespräche die Sie führen, in denen Sie Leuten in den Arsch kriechen, im Grunde gegen alles, was Ihrer inneren Vorstellung von einem glücklichen Leben widerspricht. 
Sie haben eine genaue Vorstellung davon wie Sie leben möchten. Welche Jobs Sie machen wollen, mit welchen Menschen Sie sich umgeben wollen. Und dennoch haben sie diese Stimme in sich, die Sie fragt warum Sie es dann nicht tun. Warum Sie Ihr Leben nicht endlich so leben wie Sie selber es möchten. Warum Sie darauf hören was andere Menschen Ihnen empfehlen. 
Sollten Sie in diesem Moment den Widerspruch in diesem Text bemerkt haben, so hören Sie dennoch nicht auf zu lesen. Bitte. Jedenfalls noch nicht. 
Stellen Sie sich bitte einmal die Frage wem Sie eigentlich Rechenschaft schulden. Wer entscheidet ob etwas gut oder schlecht ist? Gibt es jemanden der weis, was am besten für Sie ist? Jemand der ihnen sagen kann, wie Sie Ihr Leben am sinnvollsten verbringen? Welche Werte darin die wichtigsten zu sein haben?
Nein?
Tja, leider stimmt das nicht! Es gibt Hunderte Menschen, wenn nicht sogar Tausende, die ganz genau wissen was gut ist und was nicht. Diese Herrschaften sind auch nicht darum verlegen, ihnen das zu zeigen.
Machen Sie doch einmal ein Experiment! Ziehen Sie eine alte Jacke an, am besten noch kaputt, dazu eine ihrer Arbeitshosen, die Sie eventuell zum Malern angezogen hatten. Nehmen Sie nun noch eine Kunststofftüte in die Sie allerlei Zeug reinstopfen. Gehen Sie nun in einem Bekleidungsgeschäft Ihrer Wahl direkt auf den Bereich mit der Abendgarderobe zu. Prüfen sie den Stoff! 
Was denken Sie wird passieren? 

Die Regel


Die erste ging noch leicht runter.
Bei der zweiten kratzte es etwas im Hals.
Die Dritte zu schlucken, kostete unglaubliche Anstrengung.
Ein leichter Schwindel setzte ein. Warm und gar nicht unangenehm.
Die Knie wurden weich, er sackte mit dem Oberkörper nach vorne, drohte mit dem Kopf auf den Boden zu schlagen.
Das Licht schien abgedunkelt, als hätte es jemand herunter gedreht. - Vielleicht Gott?
Er nahm noch einige weitere, doch er starb nicht - Niemand stirbt daran, es wird am Ende sogar immer leichter.
Er führte sein Leben weiter. 
Nur das Licht wurde nie wieder so hell wie es einmal war.

Feenbesuch


Einst kam eine Fee vorbei
und fragte, ob ich’s wirklich sei.
Ich sagte Ja! - was sie denn wolle.
Sie sagte, dass ich sterben solle.
Da war ich kurze Zeit betroffen
und wollte auf `nen Irrtum hoffen.
Doch sie erklärte recht gelassen
ich würde ja wohl nichts verpassen.
Mein Leben sei doch ziemlich fad
und bald würde ich aufgebahrt.
Ich sagte, dass ich schon verstünde
jedoch, ich hätte meine Gründe.
Und erzählte all die Dinge,
die ich an mir so wichtig finde.
Sie lachte leis’ und hob ihr Schwert
„Das war`s mein Freund.“ hat sie erklärt.
Ich hob den Arm und flehte dann,
ob man denn da nichts machen kann.
„Nee“, sagte sie. Doch plötzlich, „Huch!“
und griff nach ihrem weisen Buch.
Nach einigem Herumgeblätter
sprach sie letztendlich „Donnerwetter“.
Da gäbe es `ne Möglichkeit,
und klug gebraucht verschafft sie Zeit.
Es drehe sich dabei 
um einen Wunsch, den hätt` ich frei.
Da gab ich vor, zu überlegen,
und alle Wünsche abzuwägen.
Und schließlich spannte ich die Brust
und sprach heraus mit voller Lust:
Ich wollt ihr nicht den Spaß verderben,
doch lieber ist’s mir, alt zu sterben.
Bucklig vom Gewicht der Zeit,
wenn ich beschließ: ich bin bereit.
Das Schwert der Fee verschwand im Licht.
Na gut, sprach sie, dann eben nicht.
Sie schwenkte ihren Stab umher
als wenn er eine Fackel wär.
Und plötzlich tat es einen Knall
und all der Schrecken war vorbei.
Und die Moral von dem Gedicht:
Besonders klug sind Feen nicht.

Die schwarze Muse

Ich glaub, ich brauch dich, dunkle Fee.
Ich brauch dich,
weil ich sonst die Welt nicht seh`.
Du nimmst das Licht
und schenkst die Kraft,
die helle, tiefe Welten schafft.
Und gibst du einst mein Licht zurück,
bleibt nur die Dunkelheit -
ganz ohne Glück.

Das Spiel Teil 2



Ihr kennt das ja, manchmal tut man sich mit einer Sache richtig schwer.  
Bei mir war es die folgende Geschichte. Sie entstand als Idee auf meinem Balkon beim Rauchen. Im Fernsehen lief gerade eine Dokumentation über Kriegstaktiken und ich hörte mit einem Ohr zu, während ich mit meiner Zigarette auf dem Balkon stand. Naja, jedenfalls fiel mir da die Geschichte ein und ließ mich nicht mehr los.
Wenn so etwas passiert, freue ich mich eigentlich immer ein wenig, denn ich weiß, dass ich nur noch ein paar Tage warten muss, bis die Sache in meinem Kopf so weit gegoren ist, dass sie raus will.
Also setzte ich mich ein paar Tage später an den Schreibtisch und fing an zu tippen. 
Es war vom ersten Satz an, als würde ich mir selbst die Fingernägel herausreißen. Jeder Tastenanschlag war eine Qual und das hörte bis zum Ende nicht auf.
Ich gab mehrmals auf, fing mehrmals wieder an und gab kurze Zeit später wieder auf. Irgendwann in der Mitte veröffentlichte ich den fertigen Teil, in der Hoffnung motivierter an den zweiten Teil zu gehen, schließlich war es wie ein Versprechen. Aber es wurde nicht besser, eher im Gegenteil.
Ich war heilfroh, als die erste Fassung fertig war. Ich hatte Angst davor, sie zu überarbeiten und dachte, ich könnte die verdammte Geschichte einfach liegen lassen und vergessen, wie ihre traurigen Brüder und Schwestern, die (fast) vergessen in der Schublade schlafen.
Aber dieser Text schlief nicht. 
Nach der zweiten Fassung war ich nahe dran, das ganze Projekt einfach zu löschen. Nicht nur, dass die Geschichte extrem schwer zu schreiben war, sie war auch noch total beschissen zu lesen. Das war kein Spaß, kann ich euch sagen.
Nun hab ich das verdammte Ding zum vierten Mal überarbeitet und ganze Passagen einfach komplett gelöscht. 
Frau Beltermann und der Kerl mit dem Fernglas: Peng, Peng, beide weg.
Wenn ihr also das Spiel Teil 1 gelesen habt und nun auf eine Fortsetzung wartet, dann muss ich euch enttäuschen. Die Handlung ist zwar die gleiche, die Schauplätze auch, das Thema auch, aber ich für meinen Teil glaube, dass es sich dabei um eine gänzlich andere Geschichte handelt.
Aber vielleicht habe ich auch einfach irgendwann den Überblick verloren. Entscheidet selbst und seid nicht zu hart zu mir. (Tötet mich lieber gleich, aber quält mich nicht.)  
Viel Spaß.

Frieden

Der Schmerz legt sich wie eine Fessel um deine Glieder. Der Schmerz, den nur dein Geist spürt. Der Schmerz, der dich zu zerreißen droht.
Solche Leiden zu produzieren, wäre dazu der Körper überhaupt im Stande? Oder sind es letztlich doch nur biochemische Prozesse, die in deinem Inneren ablaufen und dich nun quälen?

Dir ist das egal. Kackegal. Dieser herrliche Doppelschlag in deine Fresse kam unerwartet und er traf dich um so härter. Metaphorisch, der Schlag, natürlich. Warum müssen solche Dinge geschehen, fragst du dich nicht. Du fragst dich nur, warum sie dir geschehen müssen.

Gerade erst kommst du aus deinem behüteten Erdloch gekrochen, welches deine Kindheit war. Du räkelst dich in der strahlenden Sonne, blinzelst und streckst deine Fühler nach allen Seiten aus. Es fühlt sich gut an, wie die Sonne auf deiner Haut kitzelt. Geschissen auf den Kitsch. Denn dann das.

Du stehst da, wie gelähmt, in einem Universum aus Schwarz. Gleichgültig.
Wer einmal die Grenze zur Hoffnungslosigkeit überschritten hat, für den ist das Touristenvisum der Insel der Glückseligen abgelaufen. Eine Verlängerung gibt es nicht. Wohin man dich abschiebt ist dir jetzt auch egal. Nirgendwo und Überall können ja auch verlockende Ziele sein. Entschuldige! Verlockend vielleicht, aber nicht mehr für dich.

Von Ferne hörst du noch altbekannte Stimmen ausgeleierte Floskeln herbeten, wie: "Wird schon wieder!" oder "Halt die Ohren steif!". Doch die spiegeln ja nur die Hilflosigkeit derer wider, die dir helfen möchten aber nicht können und du kannst ihnen nicht böse sein.

Ein Grund mehr, dieser Welt, wie sie sich dir offenbart hat, den Rücken zu kehren. Aller falschen, weil eingebildeten, Freude. Meinst du.

Und Sünde ist es, in Zeiten der Not zu prassen. Töricht, den Abend vor der Schlacht zu feiern. Und trotzdem malen die Menschen bunt, was seit jeher grau ist. Am Ende spülen deine Tränen die Schminke ab und was von dir übrig bleibt ist weniger, als jemals da war. Hast du das erkannt, ist die Verzweiflung endlich komplett.

Es ist soweit. Die Party ist vorbei. Jedenfalls für dich, mein Freund. Das denkst du, bevor du gehst. Niemand wird dich vermissen, es gibt keine Lücken, die gefüllt werden müssten.

Du setzt dich ins hohe Gras, im Schatten der kleinen Kapelle. Du beobachtest, wie die Männer mit den Schaufeln sich in der Mittagssonne abrackern. Immer tiefer und tiefer arbeiten sie sich ins feuchte, modrige Erdreich hinunter, indem sie abwechselnd mit ihren Schaufeln zustoßen und dem Boden Stück für Stück sein Sein entreißen. Bis schließlich nur noch ihre Häupter zu sehen sind.

In der aufgeworfenen Erde neben der Grube räkeln und kringeln sich kleine Kreaturen. Die werden zuletzt von deinem Dasein profitieren. Wahrscheinlich sind sie da die Einzigen, denkst du. Und freust dich. So hat es am Ende doch noch etwas Gutes. Ein Lächeln auf deinen Lippen.


Einige weitschweifige Ausführungen, die sich anfangs um Empfehlungen meines Großvaters in Sachen Konversation drehen, dann aber eine überraschende Wendung erfahren

Wir befanden uns in dem alten Wohnzimmer meines Großvaters und verbrachten die Zeit mit Plauderei. Wir lachten viel und nahmen ungewohnte Mengen Cognac zu uns. Es ist schon ein wenig merkwürdig, aber es zeigte sich bei uns allen der Hang zu der scharfen Cognacvariante, jene die Spuren im Hals hinterließ. Und so häuften sich bald die immer gleichen Flaschen auf dem hölzernen Tischchen. Ab und an erhob sich jemand, schlenderte hinüber zum Kamin und fachte das Feuer wieder an oder legte ein oder zwei Scheite nach. Wir waren von der angenehmen Kaminwärme umgeben und obwohl es nicht nötig gewesen wäre, steigerte das trübe Licht zusammen mit den aufgeschichtete Rauchstreifen unzähliger Zigarren unser Wohlbefinden noch einmal. 
Schließlich aber war der Zeitpunkt gekommen zu dem sich der erste empfahl, da er die Zeit gekommen sah, sich ein wenig Ruhe zu gönnen. Und wie es so üblich ist, beschloss er damit die gemütliche Runde. Einer nach dem anderen stöhnte eine Entschuldigung hervor, meist mit einem schuldbewussten Verweis auf die fortgeschrittene Stunde und den überaus anstrengenden morgigen Tag. So kam es schließlich, dass nur noch zwei, der älteste und der jüngste aus der ursprünglichen Runde, zurückblieben. 
Kurz kam mir der Gedanke, dass auf einer Altersskala wir zwei wohl die Pole darstellen würden. Alle aus der Mitte lagen im Normalbereich und verhielten sich auch so. Kein Wunder, dass sie alle beinahe gleichzeitig ins Bett gingen, sie gehörten zur gleichen Kategorie. Wir zwei stellten hingegen die Extreme dar und es wäre wahrlich zu viel verlangt, wenn wir uns nicht in irgendeiner Art extrem verhielten - und länger als alle anderen aufblieben. Kein besonders grandioser Gedanke, das gestehe ich, zumal er nur kurz aufblitzte, sofort wieder verschwand und nie wieder auftauchte - zu Recht, wie ich finde. Ich will ihn an dieser Stelle nur zur Kenntnisnahme anbringen. 
„Sag mal Junge“, damit meinte er mich, „warum hast du dich vorhin so zurückgehalten?“
Ich stutzte. Mein Großvater war nicht gerade dafür bekannt, gerne und ausgiebig Gespräche über persönliche Befindlichkeiten zu führen. Daher war es um so wunderlicher, dass er nun scheinbar freiwillig auf so unliebsames Terrain vordrang. 
Nun, wenn ich ehrlich bin, geht es mir bei persönlichen Gesprächen ganz ähnlich wie ihm - ich mag sie nicht. Ausserdem werde ich schnell unsicher, wenn mir höfliche Konversation abverlangt wird. Lieber bleibe ich dann bei meinen Lieblingsthemen. Darüber, das würde wohl niemand bestreiten, kann ich viel sagen. Das gibt mir ein sicheres Gefühl.
Ich gab betont locker an, mir nichts besonderes dabei gedacht zu haben, nahm einen weiteren Schluck Cognac und wich seinem Blick aus.
„Du kannst es nicht, hab ich recht?“ das Kinn leicht nach vorn gestreckt.
„Klar“, entgegnete ich, „ich hatte nur keine Lust.“
„Du kannst es nicht.“ Er stellte es einfach fest, ohne besondere Wertung, fast beiläufig.
„Na hör mal. Natürlich hätte ich mit ihnen plaudern können, ich hatte einfach keine Lust. Das Thema war nicht mein Fall.“ Ich wurde ein wenig ärgerlich. Wollte er einen Streit anfangen?
Er beugte sich aus dem Sessel, um sein Glas aufzufüllen. Als er damit fertig war, blickte er kurz auf und hielt mir die Flasche entgegen. Ich lehnte ab.
„Ich habe einen Trick.“