In der Eisdiele

Jetzt, wo die Sonne immer öfter hervorkommt und die Temperatur so langsam richtig angenehm wird, verschlägt es auch mich so manches mal in die Eisdiele. Dort saß ich vor meinem Kaffe, rauchte todesverachtend eine Zigarette nach der anderen und schaute mir die Leute an. Plötzlich ruckte der ältere Herr am Nebentisch auffällig steif in seinem Plastikstuhl herum. Er schien ein Eis zu essen. Wenn man genau sein will, aß er es eigentlich nicht, sondern versuchte es zu erbrechen. Mit geröteten Wangen und pulsierender Halsschlagader fuchtelte er nach dem Kellner.
Er wolle den Verantwortlichen sprechen.
Was denn sei?
Er hätte eine Beanstandung vorzutragen.
Nun, wenn das so sei, müsse er gewarnt werden. Der Küchenchef sei etwas empfindlich.
Das sei egal.
Der Kellner entfernte sich und holte den Küchenchef.
Nun sei ihm einiges klarer.
Worum es sich bei besagter Beanstandung drehe.
Das Eis schmecke nicht.
Was denn daran auszusetzen sei.
Es schmecke, als habe es jemand im Schlachthaus von den Kadavern geschabt.
Das sei ja wohl eine Unverschämtheit.
Er wolle als Ersatz für das Eis einen Kuchen.
Bislang habe sich noch niemand beschwert.
Vielleicht weil alle mit ihren sterbenden Gedärmen beschäftigt gewesen seien.
Er sehe sich in keiner Schuld.
Er könne noch ganz andere Saiten aufziehen. Das Gesundheitsamt läge nur einen Steinwurf entfernt.
Irgendwann überzeugte er unter wilden Drohungen den Küchenchef und bekam seinen Kuchen versprochen.
Ich steckte mir eine weitere Zigarette an, wagte es aber nicht erneut einen Kaffe zu bestellen und wartete, ob der Herr mit seinem Kuchen zufrieden sein würde. Zudem wechselte ich auf einen anderen Stuhl, so dass ich nun meinen Kopf nicht mehr drehen musste, um auf den Nachbartisch zu blicken.
Schließlich kam der Kuchen und er biss hinein, kurz darauf spuckte er die zerkauten Fetzen auf die Tischplatte. Der Küchenchef musste das Ganze beobachtet haben, denn er war fast unmittelbar wieder zur Stelle.
Was denn nun schon wieder sei.
Man habe ihm versehentlich Fensterkitt gebracht.
Wie er das denn verstehen müsse.
Dieses Objekt sei kein Kuchen, sondern vergorenes Baumaterial. Er werde das nicht essen.
Niemand zwinge ihn.
Dafür sei er dankbar. 
Dieser Kuchen sei von bester Qualität es seien die erlesensten Zutaten verwendet worden.
Er meine dicke, zu Sechsen gebogene Haare erkennen zu können.
Er sähe nichts und überhaupt wisse er am besten was darin sei, schließlich habe er diesen Kuchen eigenhändig zubereitet.
Das erkläre zumindest den Geschmack. Jetzt wäre nur noch die Konsistenz zu erörtern.
Das sei ihm jetzt aber zu blöd.
Er verlange einen Kaffe zur Entschädigung.
Ich war nahe daran ihm abzuraten, aber ein klein wenig gespannt darauf was folgen würde, war ich dann doch.
Der Kellner kam und stellte den Kaffe vor ihm ab.
Wo denn der Keks sei.
Komme sofort.
Und er könne auch gleich den Küchenchef mitbringen, er wisse bereits bescheid.
Dieser Kaffe sei ungenießbar.
Das habe er sich gedacht.
Er habe ihm also absichtlich schlechten Kaffe gebracht?
Nein, aber der Herr sei ja sowieso nicht zufrieden zu stellen.
Er sei keineswegs pedantisch, nur hygienisch.
Und ein Feinschmecker, verstehe sich.
Ganz recht.
Was denn nun mit dem Kaffe sei.
Das sei kein Röstkaffe, sondern per Dampfdruckautomat gebrüht.
Das habe er vom bloßen Ansehen feststellen können? 
Das sehe jeder.
Was er denn nun bitteschön als Ersatz haben wolle.
Nichts, er wolle sein Geld zurück.
Er habe noch gar nichts bezahlt.
Das habe er auch nicht vor.
Er möge bitte gehen.
Das entscheide er immer noch selbst.
Es sehe sich genötigt, handgreiflich zu werden.
Da sei er gewarnt, er beherrsche nämlich Judo.
Solle er vielleicht die Polizei rufen?
Damit sie ihn verhaften könne, wegen des Versuchs ihn zu vergiften?
Er habe jetzt genug und der Herr solle schleunigst verschwinden.
Er wolle ein Milchshake zum Mitnehmen.
Das werde ihm nicht schmecken.
Das sei ja nicht für ihn, sondern für die Katzen.
Er solle verschwinden, sonst schlage er zu.
Auf das Milchshake verzichte er dann eben.
Lebe er wohl.
Gleichfalls.

Ein Dialog zwischen mir und meinem Großvater


Kennt ihr noch meine Großvatergeschichte? 
Ich war das letzte Semester in einem Seminar zum szenischen Schreiben - weil ich den Schein brauchte. In diesem Seminar gab es immer mal wieder kleinere Schreibaufgaben, deren Ergebnisse dann im Plenum kommentiert wurden. Da ich faul bin, nahm ich mir meine vorhandenen Geschichten vor und passte sie den Schreibaufgaben an. 
Naja egal, jedenfalls war eine der Aufgaben, einen Dialog zu schreiben. Da habe ich direkt meine Großvatergeschichte verwurstet und alle Beschreibungen rausgestrichen und ein wenig gestrafft. 
Es gab ein paar Lacher und schließlich entschied man sich diesen Dialog als kleine Zugabe auf einem MeetingPoint anderen Studenten vorzutragen.
Die anderen Teilnehmer in meinem Seminar hatten sich zu Gruppen zusammengefunden, um deren kurze Stücke zu proben. Dank meiner Faulheit war ich diesen Tag zu Hause geblieben und so entschloss man über meinen Kopf hinweg, dass mein Dialog ein wenig gekürzt werden solle und "lesegängiger" gemacht werden müsse. Also hab ich das getan und als Mail herumgeschickt. Am nächsten Morgen lag eine Mail in meinem Postfach, mit einer Version meines Dozenten. Ich fand sie scheiße, biss eine kleine Ecke aus meinem Schreibtisch und legte mich wieder ins Bett - ändern konnte ich eh nichts mehr.
Der Tag des MeetingPoints war angebrochen und alle Teilnehmer hatten sich am Austragungsort versammelt. Es wurde geprobt und gelacht und ganz zum Schluss wurde der Dialog vorgetragen. 
Man entschied sich, ihn nicht in die eigentliche Vorführung aufzunehmen. Er ergäbe nämlich keinen Sinn mehr...
So und jetzt mal Tacheles: Da hat dieser unmögliche Dozent doch tatsächlich meine Geschichte angerührt und komplett versaut. Ich riss ein Stück aus der Armlehne, schleuderte es auf die Bühne, zückte dann mein Feuerzeug und fackelte die ganze bekloppte Bande ab. Dann erwachte ich aus meiner Lethargie und tat so, als würde mich der Entschluss nicht stören und die Tatsache, dass ein gewisser Herr meine Geschichte aber mal so richtig verkackt hatte, schluckte ich hinunter ohne in angemessener Weise handgreiflich zu werden. 
So, jetzt wisst ihr Bescheid. Ich habe für euch natürlich eine Version aufgehoben, die ich selbst für einigermaßen akzeptabel halte. Sie ist vermutlich kein Meisterwerk, aber wenigstens sind die wenigen mühsamen Lacher noch drin und nicht von irgendeinem Trottel herausgekürzt worden - und die Sache ergibt zumindest ein klein wenig Sinn. Wenn auch nicht viel, aber man fragt sich am Ende nicht, welcher Einfaltspinsel denn bitteschön jetzt auch noch den kompletten Sinn entfernt hatte.

Viel Spass und schreibt mir was ihr davon haltet.

Es wird Zeit


Kennen Sie diese Stimme? Diese Stimme, die Ihnen sagt, dass irgendetwas nicht stimmt. Irgendetwas, das hier grundsätzlich schief läuft? Nein? Seien sie ehrlich! Hören Sie tief in sich hinein, tiefer als üblich. Hören Sie sie jetzt? Diese Stimme, die Ihnen ständig vorhält was besser sein könnte? Ihnen immer wieder Tipps gibt und hinterher immer alles besser weis? Wir alle hören sie. Manche von uns leise, so leise dass sie sie fast ignorieren können. Andere aber hören diese Stimme laut. Schreiend, sarkastisch, alles besser wissend, kreischt sie in den Köpfen von Ihrem Thron, als wäre im Grunde sie der Boss. Vielleicht ist sie das ja auch. Vielleicht ist sie der eigentliche Antrieb, der uns dazu bringt Dinge zu tun, die sich manchmal als übereilt, meistens aber als genau das Richtige herausstellen. Diese Stimme will nichts Böses. Sie möchte Sie nicht fertigmachen. Im Grunde möchte Sie nichts anderes als erlöst zu sein von ihrer unsäglichen Aufgabe. Aber es gibt etwas was sie antreibt, etwas das sie auffordert immer lauter, immer aufdringlicher zu sein. 
Das sind Sie selbst. Das ist Ihr Herz. Sie selbst sorgen dafür, dass sie schreit. Dass sie sich auflehnt. Auflehnt gegen die Dinge die Sie tun. Arbeiten die Sie verrichten, Gespräche die Sie führen, in denen Sie Leuten in den Arsch kriechen, im Grunde gegen alles, was Ihrer inneren Vorstellung von einem glücklichen Leben widerspricht. 
Sie haben eine genaue Vorstellung davon wie Sie leben möchten. Welche Jobs Sie machen wollen, mit welchen Menschen Sie sich umgeben wollen. Und dennoch haben sie diese Stimme in sich, die Sie fragt warum Sie es dann nicht tun. Warum Sie Ihr Leben nicht endlich so leben wie Sie selber es möchten. Warum Sie darauf hören was andere Menschen Ihnen empfehlen. 
Sollten Sie in diesem Moment den Widerspruch in diesem Text bemerkt haben, so hören Sie dennoch nicht auf zu lesen. Bitte. Jedenfalls noch nicht. 
Stellen Sie sich bitte einmal die Frage wem Sie eigentlich Rechenschaft schulden. Wer entscheidet ob etwas gut oder schlecht ist? Gibt es jemanden der weis, was am besten für Sie ist? Jemand der ihnen sagen kann, wie Sie Ihr Leben am sinnvollsten verbringen? Welche Werte darin die wichtigsten zu sein haben?
Nein?
Tja, leider stimmt das nicht! Es gibt Hunderte Menschen, wenn nicht sogar Tausende, die ganz genau wissen was gut ist und was nicht. Diese Herrschaften sind auch nicht darum verlegen, ihnen das zu zeigen.
Machen Sie doch einmal ein Experiment! Ziehen Sie eine alte Jacke an, am besten noch kaputt, dazu eine ihrer Arbeitshosen, die Sie eventuell zum Malern angezogen hatten. Nehmen Sie nun noch eine Kunststofftüte in die Sie allerlei Zeug reinstopfen. Gehen Sie nun in einem Bekleidungsgeschäft Ihrer Wahl direkt auf den Bereich mit der Abendgarderobe zu. Prüfen sie den Stoff! 
Was denken Sie wird passieren? 

Die Regel


Die erste ging noch leicht runter.
Bei der zweiten kratzte es etwas im Hals.
Die Dritte zu schlucken, kostete unglaubliche Anstrengung.
Ein leichter Schwindel setzte ein. Warm und gar nicht unangenehm.
Die Knie wurden weich, er sackte mit dem Oberkörper nach vorne, drohte mit dem Kopf auf den Boden zu schlagen.
Das Licht schien abgedunkelt, als hätte es jemand herunter gedreht. - Vielleicht Gott?
Er nahm noch einige weitere, doch er starb nicht - Niemand stirbt daran, es wird am Ende sogar immer leichter.
Er führte sein Leben weiter. 
Nur das Licht wurde nie wieder so hell wie es einmal war.

Feenbesuch


Einst kam eine Fee vorbei
und fragte, ob ich’s wirklich sei.
Ich sagte Ja! - was sie denn wolle.
Sie sagte, dass ich sterben solle.
Da war ich kurze Zeit betroffen
und wollte auf `nen Irrtum hoffen.
Doch sie erklärte recht gelassen
ich würde ja wohl nichts verpassen.
Mein Leben sei doch ziemlich fad
und bald würde ich aufgebahrt.
Ich sagte, dass ich schon verstünde
jedoch, ich hätte meine Gründe.
Und erzählte all die Dinge,
die ich an mir so wichtig finde.
Sie lachte leis’ und hob ihr Schwert
„Das war`s mein Freund.“ hat sie erklärt.
Ich hob den Arm und flehte dann,
ob man denn da nichts machen kann.
„Nee“, sagte sie. Doch plötzlich, „Huch!“
und griff nach ihrem weisen Buch.
Nach einigem Herumgeblätter
sprach sie letztendlich „Donnerwetter“.
Da gäbe es `ne Möglichkeit,
und klug gebraucht verschafft sie Zeit.
Es drehe sich dabei 
um einen Wunsch, den hätt` ich frei.
Da gab ich vor, zu überlegen,
und alle Wünsche abzuwägen.
Und schließlich spannte ich die Brust
und sprach heraus mit voller Lust:
Ich wollt ihr nicht den Spaß verderben,
doch lieber ist’s mir, alt zu sterben.
Bucklig vom Gewicht der Zeit,
wenn ich beschließ: ich bin bereit.
Das Schwert der Fee verschwand im Licht.
Na gut, sprach sie, dann eben nicht.
Sie schwenkte ihren Stab umher
als wenn er eine Fackel wär.
Und plötzlich tat es einen Knall
und all der Schrecken war vorbei.
Und die Moral von dem Gedicht:
Besonders klug sind Feen nicht.

Die schwarze Muse

Ich glaub, ich brauch dich, dunkle Fee.
Ich brauch dich,
weil ich sonst die Welt nicht seh`.
Du nimmst das Licht
und schenkst die Kraft,
die helle, tiefe Welten schafft.
Und gibst du einst mein Licht zurück,
bleibt nur die Dunkelheit -
ganz ohne Glück.

Das Spiel Teil 2



Ihr kennt das ja, manchmal tut man sich mit einer Sache richtig schwer.  
Bei mir war es die folgende Geschichte. Sie entstand als Idee auf meinem Balkon beim Rauchen. Im Fernsehen lief gerade eine Dokumentation über Kriegstaktiken und ich hörte mit einem Ohr zu, während ich mit meiner Zigarette auf dem Balkon stand. Naja, jedenfalls fiel mir da die Geschichte ein und ließ mich nicht mehr los.
Wenn so etwas passiert, freue ich mich eigentlich immer ein wenig, denn ich weiß, dass ich nur noch ein paar Tage warten muss, bis die Sache in meinem Kopf so weit gegoren ist, dass sie raus will.
Also setzte ich mich ein paar Tage später an den Schreibtisch und fing an zu tippen. 
Es war vom ersten Satz an, als würde ich mir selbst die Fingernägel herausreißen. Jeder Tastenanschlag war eine Qual und das hörte bis zum Ende nicht auf.
Ich gab mehrmals auf, fing mehrmals wieder an und gab kurze Zeit später wieder auf. Irgendwann in der Mitte veröffentlichte ich den fertigen Teil, in der Hoffnung motivierter an den zweiten Teil zu gehen, schließlich war es wie ein Versprechen. Aber es wurde nicht besser, eher im Gegenteil.
Ich war heilfroh, als die erste Fassung fertig war. Ich hatte Angst davor, sie zu überarbeiten und dachte, ich könnte die verdammte Geschichte einfach liegen lassen und vergessen, wie ihre traurigen Brüder und Schwestern, die (fast) vergessen in der Schublade schlafen.
Aber dieser Text schlief nicht. 
Nach der zweiten Fassung war ich nahe dran, das ganze Projekt einfach zu löschen. Nicht nur, dass die Geschichte extrem schwer zu schreiben war, sie war auch noch total beschissen zu lesen. Das war kein Spaß, kann ich euch sagen.
Nun hab ich das verdammte Ding zum vierten Mal überarbeitet und ganze Passagen einfach komplett gelöscht. 
Frau Beltermann und der Kerl mit dem Fernglas: Peng, Peng, beide weg.
Wenn ihr also das Spiel Teil 1 gelesen habt und nun auf eine Fortsetzung wartet, dann muss ich euch enttäuschen. Die Handlung ist zwar die gleiche, die Schauplätze auch, das Thema auch, aber ich für meinen Teil glaube, dass es sich dabei um eine gänzlich andere Geschichte handelt.
Aber vielleicht habe ich auch einfach irgendwann den Überblick verloren. Entscheidet selbst und seid nicht zu hart zu mir. (Tötet mich lieber gleich, aber quält mich nicht.)  
Viel Spaß.